Veranstaltung: | Kreismitgliederversammlung 5. Juli 2021 |
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Tagesordnungspunkt: | 6.1. Satzungsänderungsanträge |
Antragsteller*in: | Dieter Sinhart-Pallin, Niels Ahsbahs (KV Kiel) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 07.06.2021, 12:10 |
S1: Satzung, Frauenstatut und Beitragsordnung
Antragstext
Von Zeile 228 bis 231:
(4) Über die Sitzungen des Kreisvorstandes ist ein Ergebnisprotokoll zu führen.
Streichen:
(5) Außer mit Ausnahmebegründung erstattet der Kreisverband ausschließlich
mindestens EU-biozertifizierte und vegane Lebensmittel.
Begründung
Auf der letzten Kreismitgliederversammlung (3.3.2020) hat Dieter S-P einen Antrag gestellt, den viele der Anwesenden verwundert und irritiert hat. Ich hatte beantragt, dass in die Satzung folgender Passus aufgenommen wird: Zu „Zeilen 239 – 240, Ergänzung. Die Mitglieder der Partei die Grünen sind verpflichtet, zu sämtlichen grünen Veranstaltungen nur mit dem Fahrrad, zu Fuß und/oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu kommen.
Sie sind außerdem verpflichtet, sichtbar nur biologisch zertifizierte Kleidung zu tragen, die nachweislich nicht durch Kinderhand hergestellt wurde.
Außerdem haben sie Schuhwerk zu tragen, das durch Abrieb kein Mikroplastik hinterlässt.“
Dieser Antrag ist abgelehnt worden. Und das ist auch richtig so. Warum ist das richtig? Weil in einem liberalen Staat, in dem Bürger- und Menschenrechte gelten, niemand gezwungen werden will und darf, so zu leben, wie er oder sie es will („Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit“, Art. 2 GG). Es wäre doch auch ziemlich abstrus, wenn man den Menschen Kleider- und Essensvorschriften machen wollte. Das gibt es nur in religiösen Gemeinschaften – zu denen sich die Menschen freiwillig bekennen, jedenfalls bei uns.
Warum aber ist die Formulierung, auf die sich Dieter bezog und von der er wollte, dass sie zurückgenommen wird, nicht ebenfalls abgelehnt worden? Warum haben die Antragsteller sich noch nicht einmal dazu geäußert?
Die Reaktion von manchen Anwesenden war: „Satire! Brauchen wir hier nicht!“ „Das ist verfassungswidrig!“ Und schon wurde Abstimmung gefordert. Allerdings wendete jemand ein, man solle doch zuvor eine Debatte über den Antrag führen. Dazu kam es leider nicht. Die wäre aber nötig gewesen. Dieter hatte ja auch angekündigt, dass er seinen Antrag zurückzuziehe, wenn die Antragsteller eben jene Formulierung zurücknehmen würden, auf die sich sein Antrag bezog. Nämlich darauf, dass bei Vorstandsitzungen oder anderen Veranstaltungen nur noch fleisch- und fischfreies oder veganes Essen angeboten werden darf (Zeile 239). In der nun gültigen neuen, Satzung heißt es jetzt unter § 8: „(5) Außer mit Ausnahmebegründung erstattet der Kreisverband ausschließlich mindestens EU-biozertizierte und vegane Lebensmittel.“
Das ist bizarr, kommt doch hier zum Ausdruck, dass per Satzung die Mitglieder der Grünen dazu gedrängt werden sollen, sich auf bestimmt Weise zu ernähren, wenn sie im Parteiauftrag unterwegs sind. Es kann sich ja jede/r gern vegetarisch oder vegan ernähren, aber wieso im Auftrag einer Partei? Wollen wir eine Partei sein, die ein monetäres Druckmittel festschreibt, wie sich ihre Mitglieder ernähren sollen? Wer will das eigentlich überprüfen? Welches bürokratische Regelwerk soll eine solche Überprüfung leisten? Was geschieht, wenn jemand petzt? Ist hier nicht eine moralische Konfliktlage für jede/n einzelnen angelegt, die/der gern nach eigenem Gusto isst und das nicht auch noch mit Beweisen ausstatten möchte? Was gehört eigentlich in eine Satzung, also in ein Regelwerk, das ja normativ angelegt ist? Verfahrensvorschriften enthält eine Satzung, nicht aber Essenvorschriften. Oblate beim Abendmahl, Verzicht auf Schweine- oder Rindfleisch, das Tragen eines Kopftuches von Frauen, einer Kipa von Männern, Füße waschen vorm Betreten einer Kirche (Moschee) usw. – das alles gehört in den Bereich religiöser Riten, nicht aber in die Verfahrensvorschriften (Satzung) einer Partei!
Es mag sich hier für manche/n nur um eine Kleinigkeit handeln. In der Vorschrift in § 8 (5) der Satzung offenbart sich aber ein Verständnis von Politik, das an die Grenze von Dogmatismus reicht und einen Formalismus provoziert, der jedem Amtsschimmel locker das Wasser reichen kann. Anstatt qua Satzung zu missionieren, braucht es im Raum des Politischen das bessere Argument. Nur das sollte in einem demokratischen Diskurs und nach einem liberalen Politikverständnis gelten.
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