Veranstaltung: | Kreismitgliederversammlung zum Kommunalwahlprogramm |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | 2. Kommunalwahlprogramm (vollständige Übernahmen und vollständige modifizierte Übernahmen) |
Antragsteller*in: | Kreisvorstand, AK Mobilität und GJ Kiel |
Status: | Übernahme |
Eingereicht: | 24.09.2022, 10:14 |
Antragshistorie: | Version 1 |
KWP11NEU: Abhängigkeit vom Auto verringern
Text
Viele Menschen bemühen sich bereits, ihr Mobilitätsverhalten zu ändern, mehr
Fahrrad zu fahren, den ÖPNV zu nutzen oder Fahrgemeinschaften zu bilden. Diese
Bemühungen wollen wir unterstützen. Wir sehen eine Abkehr von einer
autofokussierten Verkehrspolitik nicht als einschränkende, sondern vielmehr als
ermöglichende Politik, von der auch Menschen profitieren, die auf das Auto als
Verkehrsmittel angewiesen sind: Weil ihre Abhängigkeit vom Auto verringert wird
und weil die Menschen, die nicht auf das Auto angewiesen sind, ihre Wege
zukünftig eher ohne Auto zurücklegen.
Um die Klimaziele zu erreichen, muss der Autoverkehr verringert werden. Dabei
orientieren wir uns an den Zielvorgaben des von allen Fraktionen des Rates
einstimmig beschlossenen Masterplan Mobilität, der eine Reduktion der Pkw-
Fahrleistung um rund 40 Prozent bis zum Jahr 2035 vorsieht. Wir bringen aber
auch Maßnahmen ein, die die Fahrleistung über dieses Ziel hinaus reduzieren
sollen. Damit dieses Ziel realistisch erreichbar ist, müssen wir den Umstieg vom
Pkw auf Bus, Bahn, Fuß, Fahrrad usw. deutlich erleichtern und ein Leben ohne Pkw
auch am Stadtrand attraktiv gestalten. Zusätzlich möchten wir bei der
Stadtentwicklung darauf hinarbeiten, Wege nach Möglichkeit von Anfang an zu
verkürzen (siehe Kapitel Kiel in neuen Strukturen denken: inklusive
Quartiersentwicklung). Weiterhin müssen wir in Kooperation mit den
Nachbarkreisen Lösungen für Menschen anbieten und bewerben, die aktuell mit
ihren Autos in die Kieler Innenstadt fahren (siehe Kapitel Stressfrei pendeln).
Im Masterplan Mobilität der KielRegion und dem Green City Plan der Stadt Kiel
wurde eine Vielzahl an Maßnahmen für die Verkehrswende bis zum Jahr 2035
definiert. Viele dieser Maßnahmen wurden bereits umgesetzt oder sind in der
Umsetzungsphase. Wir werden uns in der kommenden Legislatur dafür einsetzen,
dass der Status quo des Modal Split, also des Anteils der einzelnen
Verkehrsmittel am Gesamtverkehr und allgemeine Verkehrsdaten, häufiger erhoben
wird. Für das Jahr 2023 können die Ergebnisse der Verkehrsdatenerhebung
Mobilität in Deutschland des Bundesverkehrsministeriums genutzt werden. So
stellen wir fest, wo Maßnahmen bereits die erwünschten Effekte erzielen und wo
weiterer Handlungsbedarf besteht.
Wir möchten Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts einführen, sobald es die
Gesetzgebung erlaubt. Dies erhöht nicht nur die Sicherheit im Straßenverkehr, es
verringert den Lärm, die Luftverschmutzung und es lässt den Verkehr besser
fließen. Die Landeshauptstadt Kiel ist Teil des Bündnisses Lebenswerte Städte,
das sich dafür einsetzt, die Straßenverkehrsordnung so zu ändern, dass Tempo 30
auch an Hauptstraßen eingeführt werden kann. Wir werden uns im Bund für die
Schaffung von Flexibilität für Kommunen bei der Tempogestaltung einsetzen. Heute
ist die Rechtslage so, dass Tempo 30 nur dort eingeführt werden darf, wo die
besondere Situation dies erfordert ‒ Regelfall ist Tempo 50. In den Ortsbeiräten
gibt es immer wieder Hinweise von Bürger*innen auf Gefahrensituationen. Die
Straßenverkehrsbehörde lehnt dennoch regelmäßig Maßnahmen ab, sofern kein
Unfallschwerpunkt vorliegt. Wir finden es kurzsichtig, dass erst Unfälle mit
Verletzten oder Schlimmerem vorliegen müssen, damit Maßnahmen ergriffen werden
können. Dafür gibt es in Kiel bereits traurige Beispiele. Wir werden uns daher
dafür einsetzen, dass die Straßenverkehrsbehörde sich nicht nur als Wächterin
über den fließenden Autoverkehr sieht, sondern zukünftig ihre
Handlungsspielräume, auch in Form von Verkehrsversuchen, zum Schutz von nicht
autofahrenden Menschen nutzt. Außerdem wollen wir explizit prüfen, wo Tempo 30
auch jetzt schon möglich ist, und dies perspektivisch umsetzen.
Den Bau neuer Überlandstraßen lehnen wir ab. Auch wenn wir auf kommunaler Ebene
den Bau nicht verhindern können, setzen wir uns für einen Beschluss in der
Ratsversammlung der Landeshauptstadt Kiel ein, der den Bau weiterer
Überlandstraßen ablehnt, um so den Druck auf den Bund zu erhöhen. In Kiel geht
es dabei konkret um die sogenannte Südspange und den Anschluss der A21 im Kieler
Süden. Beide Projekte laufen mitten durch den Kieler Grüngürtel. Wir dürfen in
Zeiten der Erderhitzung nicht noch weitere Teile unserer Frischluftschneise für
den Autoverkehr aufgeben. Durch den Bau würden etliche Kleingärten, der
Eidertal-Wanderweg und ökologisch hochwertiger Lebensraum zerstört werden.
Verkehrsentlastungen durch die Südspange sind nach den bislang vorliegenden
Schätzungen nicht abzusehen. Im Gegenteil, durch die Südspange wäre eine
zusätzliche Belastung des ohnehin überlasteten Ostrings zu erwarten. Dessen Aus-
oder Neubau ist auf Jahrzehnte weder absehbar noch planerisch wünschenswert und
auch nicht im Rahmen der städtischen Klimaziele abbildbar. Die Landeshauptstadt
Kiel hat im Masterplan Mobilität festgehalten, dass der Pkw-Verkehr reduziert
werden soll. Sollte die Südspange oder der Ostring 2 gebaut werden, sind diese
Ziele unmöglich einzuhalten und damit auch die Klima- und Verkehrsziele der
Stadt Kiel unerreichbar. Der Bau wäre unverantwortlich.
Bei Neu- und Umbau von großen Kreuzungen bevorzugen wir Kreisverkehre nach
niederländischem Vorbild, da sie den Verkehr besser fließen lassen und die
Sicherheit erhöhen. Das Zentrum solcher Kreisverkehre soll ökologisch genutzt
werden.
Eine weitere niedrigschwellige Maßnahme ist die Anpassung des
Neubürger*innenpakets. Menschen, die in eine neue Stadt ziehen, sind einfacher
zu motivieren, ihre Mobilitätsroutinen aufzubrechen. Hierzu wollen wir auf der
bereits bestehenden Broschüre Meine neue Stadt ‒ Clever mobil in Kiel aufbauen.
Mit ihr wird Neubürger*innen ein guter Überblick über nachhaltige Mobilität in
unserer Stadt gegeben. Wir setzen uns dafür ein, dass diese Broschüre mit
konkreten Maßnahmen ergänzt wird. Hierzu gehört ein kostenloser Probemonat für
den ÖPNV. Auch ein Rabatt für die Nutzung von Carsharing-Autos wäre denkbar,
genauso wie Gutscheine für die SprottenFlotte. Auch für Pendler*innen, die sich
im Umland von Kiel niederlassen, wollen wir im Rahmen der KielRegion ein
vergleichbares Angebot schaffen.
Wir möchten, dass im städtischen Fuhrpark zunehmend auch Dienst(lasten)räder
eingesetzt werden. Gerade unter Berücksichtigung bundesweiter Förderprogramme
kann dies oft eine attraktive Alternative zu Autos sein.
Wir möchten uns anderen Städten in Europa anschließen und ab dem Jahr 2030,
spätestens mit dem Start der Stadtbahn, im Regelfall keine Pkw mit
klimaschädlichen Verbrennungsmotoren mehr in die Stadt einfahren lassen. Bis
dahin wird die Zahl der Verbrennerautos, aufgrund des Wechsels zu
Elektroantrieben, ohnehin stark reduziert sein. Auch ÖPNV, Fuß- und Radwege
müssen dann so ausgebaut sein, dass es attraktive Alternativen gibt. Wir prüfen
zudem, welche Variante eines Mobilitätspasses, d.h. eine Umlagefinanzierung für
den ÖPNV, für Kiel am Besten geeignet wäre und führen diese anschließend mit
Unterstützung des Landes ein.
Kommentare